Psychosomatische Kliniken: Fallbeispiel Phobischer Schwankschwindel
Ein Patient, 53 Jahre, befindet sich seit Januar 2007 in ambulanter
psychotherapeutischer Behandlung. Er gab zu Beginn der Therapie an, seit
ungefähr drei Jahren unter wiederkehrenden Magenschmerzen, Schluckstörungen
und massiven Schlafstörungen zu leiden. Nach ärztlicher Abklärung sei eine
Magenschleimhautentzündung diagnostiziert worden, für die Schlaf- und
Schluckstörungen sei keine organische Ursache gefunden worden.
Die ambulante Therapie verlief bisher gut, es konnten Fortschritte in der
Wahrnehmung bzw. Auslebung von Emotionen gemacht werden und dysfunktionale
Annahmen hinterfragt bzw. modifiziert werden. Typisch für die psychosomatische
Erkrankung ist die weiterhin bestehende Schwierigkeit des Patienten, Emotionen
wie Trauer, Wut und Ärger zu fühlen bzw. auszuleben. Aktuelle liegen keine
Magenbeschwerden vor, die Schluckstörung besteht seit längerem nicht mehr.
Am 23.12.2007 hatte der Patient nun einen sehr schweren Autounfall, kam jedoch
mit großem Glück mit einer Steiß- und Rippenprellung davon. Eine
Röntgenuntersuchung des Halswirbelbereichs sei o.B. gewesen. Ein
Schleudertrauma habe nicht diagnostiziert werden können. Der Patient habe vor
30 Jahren schon einmal einen schweren Unfall gehabt, damals lag ein
Schleudertrauma vor, diesmal habe er nicht die bekannten Symptome gehabt.
Seit Februar 2008 leide der Patient nun, zum Teil mehrmals wöchentlich, unter
sehr starkem Schwindel, der meistens morgens beim Erwachen auftrete, mehrer
Stunden anhalte, im Verlauf des Vormittags schwächer werde und in der Regel
bis 12 Uhr mittags abgeklungen sei. Der Patient beschreibt den Schwindel
folgendermaßen:
Er fühle sich wie alkoholisiert, ein “Schwanken” im frontalen Kopfbereich
(“wie ein Schiff auf den Wellen”), kein Drehschwindel, der Patient finde
beim
Aufrichten die Körpermitte nicht, falle nach vorne rechts, dann beim erneuten
Aufrichten nach hinten links, könne sich aber aufrichten und gehen, wenn er
sich an der Wand abstütze, ohne Stütze falle er bzw. laufe Schlangenlinien.
Ihm sei nicht direkt schlecht, nur teilweise etwas flau im Magen. Kognitive
Defizite habe er keine bemerkt (Aufmerksamkeit, Gedächtnis, visuell-räumliche
Wahrnehmung, Exekutivfunktionen seien o.B.), in seinem Beruf als
Maschinenbauer und Projektingenieur sei er nicht beeinträchtigt (eine
neuropsychologische Untersuchung wurde bisher nicht durchgeführt).
Seit dem ersten Auftreten des Schwindels wurden mehrere Untersuchungen
gemacht. Ein Kopf- und Halswirbel MRT war o.B., weder der behandelnde
Neurologe noch Psychiater haben etwas feststellen können, an der Medikation
(Remergil) könne es nicht liegen. Eine umfangreiche HNO-Untersuchung
(Innenohr, Gleichgewicht) während einer Schwindelattacke habe keinen Befund
erbracht. Blutdruck und Zucker seien auch während des Schwindels in Ordnung
gewesen. Die einzige Auffälligkeit fand sich bei einer physiotherapeutischen
Untersuchung, der Patient mache keinen Ausfallschritt um ein Fallen zu
verhindern, wenn er gekippt werde.